Vierzehn Tage unter freiem Himmel.
Vierzehn Tage unter fast freiem Himmel , mit fünf Personen auf 60 qm Zeltboden, ohne Warmwasser, ohne elektrisches Licht, lehren einen, was man so alles nicht braucht.
Man braucht nämlich so vieles nicht..ich könnte hier nun einiges aufzählen, aber das lasse ich vorerst mal weg.
An Tag eins hatte ich noch Mühe, mit ein wenig Sand, den ich an meinen Strandfüßen mit ins Bett geschleppt hatte, einzuschlafen. Tag zwei habe ich mir eine Fußmatte drapiert. Diese liegt seit tag drei zerknüllt unter dem Bett.
Auch das patschen der dicken Zeltplane im Wind war so laut in meinen Ohren, das mich mein erster Weg am nächsten Morgen in einen Drogeriemarkt trieb, um mir Ohrstöpsel zu besorgen. An Tag drei, der Tag an dem wir ein Nordsee-Unwetter im Zelt erleben durften, habe ich es bereits vorgezogen, diese aus meinen Ohren zu verbannen. Geräusche sind nicht verkehrt, man gewöhnt sich daran. Am Anfang ist das Gehör anfällig für neue Geräusche, immer auf der Hut vor Gefahren, lauscht man sich so durch die Welt und merkt es garnicht. Wenn man dann erst mal weiß, die Plane macht so..der Holzfußboden knarzt so..ja dann kommt die Ruhe von ganz allein. Sogar mein Jüngster hat von Tag eins neben dem Kabuff mit der brachial-rauschenden Klospülung gepennt. Alles eine Frage des Müdigkeitsfaktors und der Gewöhnung. Ich schleiche übrigens auch Zuhause nicht, wenn eins der Kinder schläft.
Für mich ist dieser Urlaub in vielerlei Hinsicht eine Art Therapie. Es fällt mir schwer, Sand an den Füßen zu haben und auch Salz auf meiner Haut ist für mich etwas unromantisches. Abwaschen ist etwas grausliges und Wäsche waschen mit den Händen schreit förmlich nach ruinierten Fingernägeln. Gott, was bin ich für ein verwöhntes Weichei!!!
Dieses Zelt hat natürlich keine Türen und ist, wie man sich denken kann, hellhörig. Noch dazu verfügt es wohl über die wohlmöglichst lautstark grunzende Klospühlung, die man sich nur vorstellen kann. Die unbeleuchtete Zelle befindet sich hinter einer rustikalen Holztür, welche wunderbar ächzen und stöhnen kann, das eiserne Schloss ist leicht verzogen und springt meist wieder schnalzend auf. Privatsphäre und Ruhe hat man also selten. Stille ist nicht zu erwarten. Erwähnte ich, das es mit einem kleinen störrischen Holzofen beheizt wird?
Warum tue ich mir das an? Ich tue dies eben, weil mich das irgendwie heilen soll. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass ich das alles aushalten kann. Ich will einfach mein eigenes, persönliches Drama reduzieren. Sand an den Füßen haben, es nicht wiederlich finden. Am Meer sein. Stillsitzen, dasein und vielleicht sogar wie in Kinderzeiten eine Kleckerburg bauen. Ich will Abends einige Kerzen anzünden, ein Bier trinken und nicht abwaschen. Ich will eben nicht in einem perfekten Haus voller Dinge sein, ich will da sein, wo man das T-Shirt drei tage anzieht und es am vierten Tag mit der Hand wäscht. Tief in meinem Inneren ist es noch das schmuddlige Bauernhofmädchen.
All das habe ich getan. Ich bin dreckig zu Bett gegangen, habe schwarze Füße, ich habe nutz und sinnlos meine Zeit vertrödelt, meine schmutzigen Klamotten acht mal angezogen, gestunken wie ein Otter und mich am Strand nicht eingecremt. Ich habe abgewaschen, Wäsche mit der Hand gewaschen und mich, als dann alles dreckig war, auf einem fremden Campingplatz eingeschlichen, um meine Wäsche dort in eine der Maschinen zu schmeißen. (Ich kam mir dabei sehr verwegen vor)
Ich bin jeden Morgen mit einem riesengroßen Rad in das Örtchen geradelt, bei Wind und Regen und Gegenwind und Sonnenschein. Jeden Morgen habe ich den Anblick der Dünen genossen, die so tapfer dem Wind und Wasser der Nordsee trotzden und dessen rauer Bewuchs taubetropft in der Morgen sonne glitzerte. Der Weg entlang eines Polders mit unzähligen Schilfbüschen, wilden Rosen und sattem, salzigen Gras. Ein wenig schwierig war es, den schweren, hölzernen Lenkerkorb um einen Pöller zu manövrieren, kurz bevor dann ein kleiner Hügel Richtung Innenstadt führte. Jeden morgen habe ich die überreifen, rot-orange glänzenden Hagebutten bewundert, die wie wilde Farbklekse in der Pastelllandschaft verspritzt waren.
Nach dem morgendlichen Ritual, diesem schönen, befriedenen Ritual, kam meist etwas Stress auf, Tagesplanung, Abwaschen, beides Dinge die ich nicht mag.
Strandtage sind die schönsten. Wir radeln hin, diesmal eine längere Strecke, die Kinder sind schon beim zweiten Mal gut trainiert und fahren anstandslos fünf Kilometer zum benachbarten Ort. Der Jüngste thront im Lenkersitz und staunt über all diese wunderbaren, neuen Eindrücke. Ich sauge das auf. Würde mir am liebsten mein Handy mit Tesa an den Kopf kleben, um all dies für die Ewigkeit zu filmen und zu bewahren. Aber ich besinne mich ich versuche dieses Suchtgerät zu verbannen so oft es geht.. Ich will die Momente in ECHT. Zeit kommt nicht zurück und die Kinder wachsen. Ich will diese Zeit mit ihnen nicht vergessen.
Man braucht kein schickes Haus voller pompöser, Glitzdinge. Ich habe mich da wohl auch blenden lassen. Man braucht das alles nicht. Für wen und für was? Ich werde für Zuhause ein schönes Souvenir mitnehmen: Erkenntnis.